Kapitel 10 – Fremde Hilfe

(Lucy)

Sie hatten zu wenig Zeit sich gut zu verstecken. Silver deutete den Freunden mit einer raschen Handbewegung, sich in den Schnee plumpsen zu lassen. Silver tat es als erstes und da der Schnee so tief war, schloss er sich gerade über ihr. Bevor sich die dunkel gekleidete Person umdrehte, verschwand Lucy gerade noch hinter dem Baum, neben dem sie stand und ihre Freunde versanken im Schnee.

Nun warf Lucy einen raschen Blick zur Gestalt. Es war eine Frau. Diese hatte einen Gedächtnislöscher und zwei Messer bei sich. Sie war groß und hatte pechschwarze Haare. Ihr dunkles, langes Kleid war sehr eng. Sie blickte sich kurz mit einem misstrauischen Blick um und marschierte dann wieder zielstrebig in die Höhle.

„Das war’s schon?“, fragte Myron verdutzt und löste sich von seinem Versteck. Auch Lucy und die Anderen kamen langsam aus den Verstecken. „Snoopy, schleich du mal zum Höhleneingang und schau was dort drin vor sich geht“, befahl Silver und schwang ihre silbernen Haare nach hinten.

„Ja, ja“, murmelte Snoopy und machte sich auf den Weg hinauf zur Höhle.

Als er ankam, blickte er vorsichtig und ein wenig verängstigt in das dunkle Loch. Danach hoppelte er wieder zurück und erwiderte professionell, aber mit etwas Angst in der Stimme: „Neun Wachen, inklusive der Frau, die vorher draußen war. Alle sind bewaffnet mit Messern, Pistolen, und jeder dritte hat einen Gedächtnislöscher.“

(Der Clan des Grauens)

Grey rief einen seiner Wachen herbei. Er bat ihn drei der stärksten Wach- Gruppen zu bringen, da er eine neue Mission für sie bereit hatte.

Zwanzig Minuten später klopfte es laut an der Tür. „Herein!“, rief Grey und blickte erwartungsvoll zu seiner Bürotür. Eine Horde Wachen trat ein. Ungefähr zwanzig Personen, in Gruppen aufgeteilt, standen nun vor Grey. Dieser hielt jeder Gruppe einen Zettel vor die Nase. „Hier drauf steht was ihr zu tun habt. Enttäuscht mich nicht!“, warnte er die Gruppen, die die Zettel pflichtbewusst und zielstrebig entgegennahmen.

„Ihr dürft gehen“, sagte Grey giftig und zeigte mit ausgestrecktem Finger zur Tür.“Jetzt!“ Alle verliessen den Raum, als Grey rief: „Malcom, bleib hier!“. Ein junger Mann mit dunkelbraunen Augen blieb stehen und drehte sich um. „Ja Meister?“, fragte er mit tiefer Stimme. Er hatte ein Totenkopf Tattoo auf dem rechten Unterarm.

„Das ist ein sehr wichtiger Auftrag!“, begann Grey und blickte den Mann ernst an, „und ich möchte, dass du ein Auge auf alle drei Teams behältst. Ich habe mit Absicht drei der Besten ausgesucht. Und du bist der beste und schlauste Kämpfer von allen. Lass mich nicht hängen!“

„Ja Meister“, sagte Malcom und hielt dem bösen, drohenden Blick von Grey stand, der ihn durchbohrte. Grey übergab ihm eine Karte und einen Gedächtnislöscher. „Gut“, murmelte er. „Du kannst gehen.“ Malcom verließ mit kampflustigem Gesichtsausdruck das Büro.

(Lucy)

„Gehen wir rein? Die machen wir fertig!“, sagte Rudolf triumphierend. „Zuerst eine kleine Stärkung!“, sagte Silver und öffnete ihren Rucksack. Sie holte zwei Packungen heraus und öffnete diese wieder. „Für jeden gibt es einen“, erklärte sie und gab jedem einen Donut.

„Köstlich!“, sagte Myron ehrlich beeindruckt und biss hinein. „Hat meine Mutter am Freitag gebacken“, sagte Silver. „Wirklich gut“, sagte Snoopy leise mit vollem Mund. „Da gebe ich euch Recht!“, sagten Lucy und Rudolf gleichzeitig.

Silver zwinkerte ihren Freunden zu und erklärte: „Und es hat auch noch ein wenig Stärkezaubertrank, Schnelligkeitstrank, Ausdauerklee und Leisigkeitselixier drinn. Meine Mutter hat gesagt, damit sollten wir eine Stunde lang total stark und schnell sein. Ausserdem hört man uns nicht, wenn wir uns bewegen. Nur wenn wir sprechen.“

Damit sie nicht entdeckt werden, liefen sie nahe am Fels entlang nach oben, so konnte man sie von oben nicht sehen. Als sie oben ankamen, blieben sie erst im Schutz des Schnees außerhalb der Höhle um durchzuatmen. Irgendwann gab Rudolf das Zeichen und sie stürmten den Eingangsbereich. Die Freunde schnappten sich die Fesseln und Tücher, die im Eingangsbereich herum lagen. Danach fesselten sie die Wachen des Verstecks und stopften ihnen mit Tüchern den Mund, damit sie nicht nach Hilfe rufen oder warnen konnten. Alles ging total schnell, so dass keiner ihrer Gegner dazu kam Hilfe zu holen. Doch war das Ganze sehr laut gewesen darum hörte man bald Schritte.

Die Freunde beeilten sich die gefesselten Leute auf die andere Seite des Berges zu bringen. Sie buddelten in den hohen Schnee ein tiefes Loch, in dem sie die Gefangenen versteckten. Dann machten sie sich wieder auf den Weg zur Höhle. Bevor neue Wachleute kamen.

(Paul)

Es war spät am Abend. Die Versammlung war endlich vorbei. Die ganze Zeit hatte er sich gelangweilt. Ja, fast eingeschlafen war er. Am liebsten wäre er einfach gegangen. Aber nein, natürlich musste sich Molly noch von allen verabschieden und Elenor bitten: „Sag Lucy noch gute Nacht von mir und Paul, falls sie noch wach ist.“ Paul verdehte die Augen. „Von mir nicht unbedingt“, motzte er, woraufhin Molly ihm einen warnenden Blick zuwarf. Dann machten sie sich endlich auf den Weg nach Hause.

Dort angekommen legte er sich ins Bett, ohne sich umzuziehen oder Zähne zu putzen, obwohl Molly ihm dies natürlich riet. Er sagte nur, dass sie dies ruhig machen konnte. Er würde es aber nicht machen. Mit diesen Worten war er im Bett verschwunden und nach einer Weile eingeschlafen.

(Lucy)

Als sie oben ankamen, hörte Lucy gerade noch jemanden sagen: „Komm, wir müssen Grey Bescheid sagen!“ Dann verklangen die Stimmen und die Luft war rein.

Auf einer Tafel war ein Bild von der ganzen Unterkunft. Sie schien riesig zu sein und das Gefängnis war auf der anderen Seite. „Da kommen wir nie hin, ohne entdeckt zu werden“, jammerte Snoopy. Doch Silver hatte auch dazu etwas zu naschen: „Ich habe mit meiner Mutter noch Unsichtbarkeitsschokolade gemacht. Jeder bekommt ein Stück. Dies sollte für fünf Minuten reichen, welche wir mit unserer Schnelligkeit im Maximum brauchen. Dann bleibt uns noch genug Schokolade für den Rückweg.“

Silver verteilte die Stücke der Schokolade, welche nicht nur eine super Wirkung hatten, sondern auch noch spitze schmeckten.

Nachdem sie fertig gegessen hatten, verschwanden ihre Freunde vor Lucys Augen. „Wow!“, sagte Lucy, „danke Silver!“ „Kein Problem!“, hörte sie Silvers Stimme sagen.

„Damit wir uns nicht verlieren, nehme ich diesen Stein zu mir. Ihr müsst einfach dem Stein folgen“, erklärte Myron und nahm einen Stein vom Boden auf. Lucy sah nur, wie ein Stein ganz alleine vom Boden abhob.

„Gute Idee!“, lobte ihn Lucy.

„Silver ich finde deine Kochkünste ausgezeichnet“, erklärte Rudolf und Snoopy setzte noch einen drauf: „Also ich würde dir wirklich raten in Mollys Bäckerei einzutreten. Das ist die beste Bäckerei im Clan der Magischen. Und du mit deinem Talent würdest da bestimmt aufgenommen werden.“

„Gehen wir jetzt!“, sagte Myron, der Silver den Ruhm nicht zu gönnen schien. Sie liefen, wie es auf der Karte stand, durch einen schmalen, langen Weg. Alle dem Stein nach. Mit der Leisig-, Schnellig- und Unsichtbarkeit war es wirklich leicht bis zum Gefängnis vorzudringen.

(DEr Clan des Grauens)

Grübelnd sass Grey auf seinem Stuhl im Büro. Er hatte so ein komisches Gefühl. Was war wohl los? Er fühlte immer, wenn etwas nicht stimmte und jetzt fühlte es sich genau so an. In diesem Moment schwang die Tür auf. Zwei keuchende Wachen standen davor. „Die Wachen im Eingang sind weg!“, warnten sie ihn.

(Lucy)

Als sie schon fast beim Gefängnis waren, schritt Lucy siegessicher um die Ecke um in einen neuen Gang zu treten.

Doch zu Früh gefreut. Plötzlich bemerkte sie, wie ihr Körper wieder sichtbar wurde. Sie sah sich nach ihren Freunden um. Snoopy war schon wieder ganz sichtbar. „Mist!“, hörte sie Myron schimpfen. Und dann rief Rudolf: „Das ist unsere einzige Chance. Versuchen wir es!“

Die Freunde rannten los. Doch schon nach wenigen Minuten waren sie von mehreren Wachen umringt. „Wer seid ihr und was habt ihr hier zu suchen? Ich schätze mal, ihr kommt nicht von hier?“

„Wir sind Boten von einem Bekannten eures Chef’s. Wir sollten schauen, ob es euch wircklich gelungen ist den Weihnachtsmann zu retten“, wollte Silver sofort drauf loslügen. „Wenn du lügen willst, bist du hier an die Falschen geraten, Mädchen. Sperrt die Kinder ein und benachrichtigt Grey. Er soll über sie urteilen“, befahl eine grosse muskolöse Frau, die anscheinend die Chefin der Wächter war.

(Molly)

„Oh nein!“, schrie Molly erschrocken und blinzelte verlegen in den Ofen. Ihr neues Brötchen- Rezept ist in die Hose gegangen. Nun nahm sie das Blech heraus, legte es auf den Tresen und beachtete die schwarzen Brötchen.Sie waren sorgfältig rund geformt und in gleichmässigen Abständen auf dem Blech verteilt.

Es war fünf Uhr Morgens. Molly war wie immer sehr früh wach, was als Bäckerin eigentlich von Vorteil war.

„Frau Backfee? Ist alles okay bei ihnen?“, fragte eine Zahnfee, die die köstlichen Torten und Kuchen musterte, und nun besorgt den Blick auf Molly richtete.

„Ja, nichts passiert“, erklärte Molly und hob kurz den Kopf, doch sie liess ihn nach wenigen Sekunden wieder über den schwarzen Brötchen hängen. „Es sind doch nur Brötchen“, sagte die Zahnfee tröstend. „Sie haben ja recht!“, sagte Molly bedrückt und legte das Blech beiseite.

Die Zahnfee war eine von Molly’s besten Kundinnen. Sie kam praktisch jeden zweiten Tag hierher und probierte immer die verschiedensten Leckereien aus. Wenn sie nicht gerade hier war, arbeitete sie in der Krankenstation. Denn wie Paul, war die Zahnfee eine Krankenpflegerin.

„Was wollen sie heute haben Frau Hurts?“, fragte Molly. „Diesen Kirsch-Schokoladenkuchen . Der sieht köstlich aus!“, sagte Frau Hurts und zeigte auf einen der vielen Kuchen. „Gute Wahl!“

(Lucy)

Doch in diesem Moment gab es eine Lücke im Kreis, welche die Leute vom Clan des Grauens geschaffen hatten. Jemand hatte zwei Wächter von hinten an den Schultern gepackt und mit viel Kraft nach hinten auf den Boden gezogen. Hinter der Lücke stand nun ein Mädchen.

„Fesselt und knebelt sie! Ich erledige den Rest“, sagte sie, ohne nur eine Miene zu verziehen und machte sich an die Arbeit. Sie kickte einem Mann in den Bauch, während sie eine Frau mit den Armen nach unten schubste. „Was soll das?“, riefen ein paar Wächter durcheinander. Sie wollten sich auf das Mädchen stürzen, doch diese wich geschickt aus.

„Hey!“, schrie die Chefin, als das Mädchen ihren Kopf nach unten drückte, und ihr Fuss gegen ihre Knie drückte damit sie umfiel. Lucy rannte schnell durch die Menge zum Mädchen, und fesselte die Frau mit ihren eigenen Fesseln.

Als alle keuchend und gefesselt auf dem Boden lagen, schlossen sie alle zusammen in eine der Gefängniszellen. Sie stopften Tücher in den Mund der Wachleute, damit sie nicht nach Hilfe schreien konnten.

Lucy beobachtete beeindruckt das Mädchen. Sie hatte lange, schwarze Haare. Dazu ein paar smaragdgrüne Augen die geheimnisvoll funkelten. Ihre schwarze, enge Hose passte perfekt zum schwarzen, glänzenden Ledergürtel. Dort hingen zwei Messer und eine kleine Trinkflasche war daran befestigt. Sie hatte auch eine weisse Bluse an, die sie hübsch in die Hose gestopft hatte. Die Ärmel waren hochgekrempelt.

Überrascht blickte Lucy das Mädchen an. War das Mädchen von hier? Aber wieso hatte sie ihnen geholfen?

(Elenor)

Als Elenor an diesem Tag sehr spät erwachte, kam ihr sofort der gestrige Abend in den Sinn. Kann es wirklich sein, dass Silver die Auserwählte ist? Meine Tochter? Und wenn dies der Fall ist, wäre es jetzt ziemlich gefährlich für Silver beim Clan des Grauen, schoss es ihr durch den Kopf. Das ist es ja ohnehin schon.

Elenor sah auf die Uhr. Es war noch sehr früh, doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Mühsam rappelte sie sich auf und ging frühstücken. Auch da dachte sie an die Legende der Auserwählten. Ja es könnte sein, schoss auf einmal eine mögliche Antwort durch ihren Kopf. Schliesslich ist auch die letzte Auserwählte eine Zahnfee gewesen. Das hatte mir jedenfalls Frau Weihnachten erzählt. Diese Zahfee hat vor mehreren tausend Jahren gelebt. Dort hat es angeblich auch was Ähnliches wie der Clan des Grauens gegeben. Also ist die Chance groß, dass es Silver ist. Ich habe dazu auch viel mit dem Weihnachtsmann zu tun. Sie ist eine Erstklässlerin und sehr gut in der Schule.

Auf einen Schlag war Elenor unglaublich stolz auf ihre Tochter. Mehr als je zuvor.

(Lucy)

„Warte was?“, fragte Myron und blickte verdutzt drein. „Meinst du das ernst?“, fragte Snoopy. Das Mädchen nickte stumm. „Erstens, von wo weisst du was wir hier tun? Zweitens, bei was sollen wir dir helfen? Und als letztes, also als drittes, von wo hast du diesen Ledergürtel?“, fragte Silver misstrauisch und begutachtete den schwarzen Gürtel.

„Silver!“, flüsterte Lucy ihr warnend ins Ohr und gab ihr einen leichten Stoss mit dem Ellbogen.

„Wieso ich weiss, dass ihr ihn befreien wollt, bleibt mein Geheimnis. Wenn ihr wollt, dass ich euch weiterhelfe, müsst ihr mir auch bei etwas helfen“, erklärte das Mädchen kurz und ging gar nicht auf Silver’s dritte Frage ein.

„Bei was?“, verlangte Lucy zu wissen.

„Das werdet ihr sehen wenn es so weit ist. Ihr entscheidet, ob ihr mir vertraut oder nicht“, sagte das Mädchen nur.

„Ich weiss nicht, ob das eine gute Idee ist“, meinte Rudolf, zu Lucy und Silver gewandt. „Komm schon Rudolf. Sie hat uns schließlich gerade aus der Patsche geholfen!“, bedachte Lucy und schaute ihn mit aufmunternden Blicken an.

„Und ausserdem muss ich noch rauskriegen, wo sie diesen schönen Gürtel her hat“, sagte Silver und fügte noch hinzu: „Er würde mir nämlich genau so gut stehen wie ihr.“ Lucy schnitt eine Grimasse hinter Silver’s Rücken, so dass alle ausser Silver es sehen konnten.

„Sie zieht den Gürtel aber nur an, damit ein gewisser Edwin sie mehr beachtet!“, flüsterte Lucy Silver zu, die ihr anschliessend einen bösen und beleidigten Blick zuwarf.

„Na gut, das sehe ich als ja. Kommt!“, beschloss das Mädchen und die Freunde taten es ihr gleich. Was blieb ihnen auch Anderes übrig? Ohne das Mädchen wären sie hingeschmissen. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen.

(Der Clan des Grauens)

Grey sass wieder grübelnd auf seinem Stuhl im Büro. Komisch war es ja schon. Wieso waren die Wachen weg? Hatten sie ihren Auftrag wohl falsch verstanden? Lauter solche Fragen huschten ihm durch den Kopf. Schluss jetzt, dachte er, ich gehe einfach mal zum Weihnachtsmann. Vielleicht geht es ihm einfach zu gut. Darum fühle ich mich vielleicht so.

Er stand von seinem Stuhl auf, verließ das Büro und machte sich auf den Weg zum Gefängnis, wobei er noch nicht wusste, was ihn dort erwartete.

Kapitel 11 folg am: 31.Jan.2021