Kapitel 42 – Tag der Sortierung

(Grey)

Er spürte es mit jeder Faser seines Körpers. Heute war es endlich so weit, der Tag der Sortierung stand an. Grad als Erstes würde das vorlaute Rentier aussortiert werden, das den Gefangenen wieder Hoffnung gegeben hatte. Doch noch heute würden sie alle ihre Hoffnung wieder verlieren. Denn alle, die sich weigerten ihm anzuschliessen, würden streben. Heute würde er keine Gnade walten lassen. Heute würde er einen grossen Schritt zur Herrschaft der Welt antreten. Denn sobald alle guten Magischen ausgerottet waren, würde es ein Kinderspiel sein, die Welt zu übernehmen.

(Neo)

Sie waren bereit. Sie hatten alle Massnahmen getroffen und würden jetzt aufbrechen, um die Völker zu befreien. Die drei Kinder schulterten ihre Rucksäcke und sahen sich entschlossen an, dann marschierten sie auf das Tor von Atlantis zu und verliessen es. Soeben wurde es still, der letzte Atlantianer hatte seine Heimatstadt verlassen und brach auf, um alle zurückzubringen.

(Snoopy)

Unfähig etwas dagegen zu unternehmen, sah Snoopy widerwillig zu, wie man Rudolf an ihm vorbei zerrte. Heute war anscheinend Tag der Sortierung. Lucy und Norwen waren noch nicht aufgetaucht. Auch wenn er, Malivi und Esaria, mit denen er seine Zelle teilte, nach wie vor an die zwei glaubten, verliess die anderen langsam wieder die Hoffnung. Aber die anderen konnten ja auch nicht wissen, dass Esaria Lucy und Norwen in Atlantis etwas hinterlassen hatte, was ihnen helfen würde. Zwar wollte Esaria noch nicht Preisgeben was, doch Snoopy vertraute darauf, dass Lucy und Norwen sie damit retten konnten. Sei es auch in letzter Sekunde.

Langsam wurde Rudolf aus der Höhle gezerrt. Trotzdem ging er seinen stolzen aufrechten Gang. Snoopy wusste, dass er in Wirklichkeit doch Angst hatte. Er wollte nur nicht, dass die anderen das auch hatten. Nun kam der letzte Huf ausser Sichtweite. Rudolf war verschwunden. Genau wie die Hoffnung der Gefangenen.

(Lucy)

Blitzschnell liesen sie Atlantis und Dubai hinter sich. Es war erstaunlich, wie schnell sie mit den magischen Stiefeln, die sie mit Neos Hilfe hergestellt hatten vorankamen. Die Landschaft sauste noch schneller an ihnen vorbei, als im Zug. Es war unglaublich, was sie in so kurzer Zeit auf die Reihe gebracht hatten. Sie hatten Neo ruckzuck alles beigebracht, was sie übers Kämpfen wussten. Einen grossen Teil davon hatten sie von Shadowra gelernt, welche sie hoffentlich bald wiedersehen würden. Im Gegenzug hatte ihnen Neo das Schneidern von magischen Kleidern beigebracht. Von denen hatten sie eine ganze Menge hergestellt.

Heute trugen sie kein einziges Kleidungsstück, welches ohne magische Funktion war. Ab und zu waren sie wieder auf den Markt gegangen, um nicht magische Kleider zu verkaufen und Vorräte anzuschaffen. Lucy hoffte nur, dass sie nicht zu spät waren. Die Worte, die nun in jedem magischen Dorf prangten, hallten in ihrem Kopf wieder. Darauf hatte was davon gestanden, dass nur die „Würdigen“ es überleben würden oder so. Hatte man die sogenannten „Unwürdigen“ etwa bereits beseitigt? Lucy schluckte und verdrängte den Gedanken. Sie mussten einfach rechtzeitig kommen.

(Rudolf)

Man hatte ihn auf einen Platz ausserhalb des Gebäudes gebracht. Es war herrlich wieder mal die Sonne zu stehen. Doch leider war er an einen Strick gebunden und wurde grob weiter gestossen. Man fesselte ihn an einen Pfahl und brachte nun nacheinander auch alle anderen nach draussen. Es grenzte ihn ein hoher Zaun zu den anderen ab. Ausserdem war rund um sie herum eine steile Felswand, was es allen unmöglich machte frei zu kommen. Das war auch der Grund, weshalb man die Anderen auch nicht fesselte. Aber wieso nur hatten sie ihn hier gefesselt und von den anderen abgegrenzt? Alle Gefangenen waren unsicher, da sie nicht wussten, was als Nächstes kommen würde.

Rudolf erblickte eine Frau, welche mit einem Messer in der Hand auf ihn zu kam. Ihr Blick war hämisch und sie schwenkte das Messer umher. Augenblicklich wurde ihm klar, wieso er alleine hier war. Er war es, der für die Gefangenen Hoffnung bedeutete und darum wollte ihn der Clan des Grauens zuerst ausschalten. Und zwar wollten sie alle dazu zwingen dabei zu sein. Damit sie alle wieder die Hoffnung verlieren würden und mehr Leute zum Clan des Grauens überlaufen würden.

Die Frau hob das Messer und wandte sich dem Publikum zu. „Wer will jetzt schon zu uns kommen?“, rief sie aus, doch keiner rührte sich, schliesslich waren alle richtigen Verräter schon früher übergelaufen. Sie senkte das Messer wieder und meinte: „Das kommt schon noch, wartet nur ab, doch jetzt müssen wir uns erst mal ihm zuwenden.“

(Lucy)

Dank Rakir wusste Lucy ganz genau, wo sie hin mussten und schon bald kam ein Wald voller schwarzer Bäume in Sicht. Dort musste sich die Festung befinden! Vor dem Wald liessen sie sich nieder und gingen nochmals alles durch, was sie vereinbart hatten.

(Rudolf)

Die Frau drehte sie sich zu ihm um und grinste abermals hämisch. Das war mit Abstand die gruseligste Person, der Rudolf jemals begegnet war. Kein anderer aus dem Clan des Grauens sah so aus. Die anderen waren bloss normale Menschen, die sich dem Bösen angeschlossen hatten, doch diese Frau war böse. Rudlof schauderte. Ihre Augen glühten rot und sie hatte tiefe Augenringe. Zwei lange rote Striche, die aussahen, wie Kriegsbemalung führten von ihren Augen über ihr ganzes Gesicht. Sie war noch grösser als er und sehr kräftig. Der Blick der Frau war kaltherzig und ausserdem trug sie alte braune Kleidung. Um ihr Unterschenkel und um ihre Arme hatte sie enge weisse Tücher gebunden.

„Eine Schande, dass er mir eine solch leichte Aufgabe zuteilt, aber ich bin halt am furchteinflössendsten“, murmelte die Frau und rannte dann ohne Vorwarnung auf ihn zu und warf das Messer zielgenau auf seine Kehle.

Nächstes Kapitel erscheint am folgenden Sonntag