Kapitel 8 – Rache ist süß

(Edwin)

Wie an jedem Tag, wenn Edwin nach Hause kam, sah er als aller erstes in den Briefkasten und holte die Briefe und Päckchen heraus. Darin befand sich ein Päckchen, das an ihn adressiert war. Er nahm es heraus und lief in Richtung Türe. Dort bemerkte er, wie sich auf dem Boden plötzlich ganz viele rote Krebse tummelten. Auf einmal begannen drei Krebse an ihm hoch zu krabbeln und ihn zu kneifen. Schmerzerfüllt schrie er auf und schüttelte sich.

Die haben es eindeutig auf mich abgesehen!, dachte sich Edwin und versuchte die Krebse abzuschütteln. Es ging nicht, stattdessen kletterten noch mehr von den aggressiven, roten Krebsen an ihm hoch. Deshalb entschloss er in das Haus zu gehen, in der Hoffnung es würden nicht noch mehr Krebse an ihm hoch krabbeln.

Er wollte die Türe öffnen, doch als er die Hand um die Türfalle schloss, verbrannte er sich. Instinktiv legte er die Hand in den kalten Schnee und schrie auf. Das war nicht gerade die beste Idee. Zwei Krebse hielten sich an seiner Hand fest und kniffen ihn in die verbrannte Hand. Die lassen einfach nicht locker!, dachte Edwin und schaffte es, einer der beiden abzuwerfen. Doch dieser kletterte aggressiv wieder auf ihn. Sie kniffen ihn erneut in die verbrannte Hand.

Mühsam versuchte er einen Aufschrei zu unterdrücken. Er nahm sich einen Ast um damit die Türfalle nach unten zu drücken. Die Türe ging auf und er trat ein.

Seine Mutter nahm ihn sofort in Empfang. „Meine Güte Edwin! Wie siehst denn du aus?“, schrie sie entsetzt. „Vor der Haustüre waren aggressive Krebse, die mich angegriffen haben. Außerdem war die Türfalle kochend heiß und ich habe mir die Hand verbrannt“, antwortete er düster und schaute seiner Mutter nicht in die Augen.

„Wahrscheinlich haben die Elfen wieder mal Experimente vor unserem Haus gemacht, dabei habe ich ihnen schon tausend mal gesagt, dass wir das nicht mehr dulden! Aber sie sagen immer, dass sie diese angeblich so spezielle Waldluft vor unserem Haus für diese Experimente benötigen“, schimpfte seine Mutter und blickte ihn mit ihren grünen Augen an, die wie zwei Engel über ihn wachten. Sie holte ein kleines Fläschchen in dem sich ein Elixier befand.

„Das hier lässt die Krebse verschwinden“, erklärte sie ihm kurz und tropfte es auf die roten, aggressiven Krebse, die sich daraufhin sich in Luft auflösten.

Edwin nickte ein wenig dankbar. Das gleiche hatte er auch schon vermutet, wegen diesen Elfen die rundum die Uhr immer die verschiedensten Tränke und Zauber vor ihrer Türe ausprobierten. Doch irgendwie nagte da so ein ungutes Gefühl an ihm was ihm sagen wollte, dass dies nicht stimmte.

Er kühlte seine verletzte Hand im kalten Wasser ab, so wie es seine Mutter ihm befohlen hatte. Danach schlich er in sein Zimmer und setzte sich an einen Schreibtisch. Edwin legte das Päckchen vor sich hin und strich sich mit seiner heilen Hand durch die zerzausten Haare.

Edwin hatte nicht die gleichen Augen wie seine Mutter. Er hatte dunkelbraune Augen, die nicht so beruhigend wirkten wie die seiner Mutter. Wenn diese einen anblickten, vergaß man einfach alle Sorgen die einen vorher noch umhüllten. Ein wunderbares Gefühl, das man sonst fast nie zu spüren bekommt, verzauberte einen.

Edwin ging in das Wohnzimmer, wobei er fieberhaft überlegte wer es denn noch gewesen sein konnte. Denn mittlerweile war er sich ziemlich sicher, dass es nicht die Elfen gewesen sein konnten. Er grübelte noch lange weiter bis seine Mutter ihn aus seinen Gedanken riss: „Edwin! Hast du denn keinen Durst? Es gibt Tee!“

Edwin hüpfte vom Sofa auf und eilte in die Küche.

Als er im Esszimmer ankam, tischte seine Mutter gerade ihren selbstgemachten Tee auf. Zusammen tranken sie schweigend den Tee und aßen dazu die vorigen Kekse aus der Weihnachtszeit.

Danach ging Edwin in sein Zimmer. Zumindest hatte er das vor. Als er die Zimmertüre öffnete, rasselte klebriges Wasser mit irgendwelchen Stücken auf ihn herab. Sofort lief er in das Badezimmer, um sich zu duschen, doch im Gang vor dem Badezimmerhatte jemand eine unsichtbare Schnur gespannt. Er stolperte und fiel unsanft zu Boden. Wütend fluchte er und von unten ertönte die Stimme seiner Mutter: „Alles okay?“

„Ja“, log er, denn mittlerweile wusste er, dass es Lucy und ihre Freunde gewesen sein mussten. Und schließlich war dies etwas zwischen ihnen und ihm. Seine Mutter hatte sich da nicht einzumischen. Das würde bloß alles verschlimmern. Im Bad wollte er sich erst die Hände waschen, doch jemand hatte den Wasserhahn mit einem Kleber zugeklebt, weshalb das Wasser nun im ganzen Zimmer herumspritzte. Schnell schaltete er ab.

Dann eben nicht!, dachte er sich wütend und ging zur Dusche. Zum Glück befand sich dort keine Falle und er konnte sich das klebrige Zeug abwaschen.

20 min später sass Edwin auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch und hielt das Päckchen in der Hand. „Oh mein Gott!“, murmelte er. Sein Blick war auf seine Hand gefallen. Die rote Schwellung war weg und der Schmerz hatte sich einfach in Luft aufgelöst! „Feuer-Creme!“, dachte er laut. „Es muss Feuer-Creme gewesen sein. Ihre Wirkung lässt eine Stunde später nach.“ Edwin notierte seine Entdeckung auf einem seiner Notizblöcke mit einem Tintenroller, den er von seiner Tante bekommen hatte.

Er wandte sich wieder dem Päckchen zu und versuchte herauszufinden was sich dort drin befand. Ganz sicher eine Packung Stifte von Tante Lorena, dachte sich Edwin und begann das Geschenkpapier unvorsichtig zu zerreißen.

Nein, keine Stifte von Tante Lorena!, bemerkte er, als er das Päckchen geöffnet hatte. Es war eine Packung Schokolade ohne Absender. Seine Tante würde ihm nie eine Schokolade schenken und außerdem schrieb sie immer, und wirklich immer, „Liebe Grüsse, Tante Lorena!“ Immer die selben Worte!

Wahrscheinlich hatte ihm die Schokolade jemand aus Verwechslung in den Briefkasten getan. Edwin seufzte unbekümmert und beschloss die Schokolade einem seiner Lehrer zu schenken. Dann würden sie ihn mehr mögen und ihm bessere Noten geben. Schließlich mochte er überhaupt keine Schokolade.

Doch lieber Stifte von Tante Lorena, dachte er und grinste leicht spöttisch.

Edwin fischte seine alte Kamera, die aber immer noch perfekt funktionierte, aus einer der Schubladen und machte sich auf den Weg nach draussen. Vor dem Haus angekommen, erschienen diese Krebse wieder einfach aus dem Nichts. Doch diesmal waren es eindeutig weniger und er war bewaffnet. Er holte das Fläschchen Elixier aus seiner Tasche, das auch seine Mutter gebraucht hatte um die Krebse verschwinden zu lassen. Er tupfte auf jeden der roten Krebse eine Tropfen und sie verschwanden sofort.

„Ha!“, sagte Edwin und lachte wieder einmal spöttisch. Er versteckte die Kamera so, dass sie alles filmte was vor dem Haus passierte. Sie war zwar alt, konnte aber zwei Tage ohne ausschalten und laden an bleiben. Diese würde jetzt alles filmen!

Der Nachteil an dieser Kamera war, dass man nur sehr unscharfe Fotos machen konnte und dass sie keinen Filter hatte. Es war nämlich auch eine Videokamera und keine Fotokamera.

Zunächst entfernte er noch alle Überreste der Fallen.

Am Abend nach dem Abendessen, wollte er am Liebsten einfach ins Bett. Er war glücklich, dass es nun keine Fallen mehr gab. Aber nun musste er noch Zähne putzen. Er schmierte sich eine Ladung Zahnpasta auf die Zahnbürste und begann. Danach ging er noch schnell zu seiner Mutter, um ihr gute Nacht zu wünschen. Seltsamerweise sah sie ihn komisch an.

„Edwin geh doch mal schnell zu einem Spiegel und sieh deine Zähne an“, bat sie und er gehorchte. Was er da sah liess ihn so erschrecken, dass er es kaum schaffte einen Schreckensschrei zu unterdrücken. Seine Zähne waren pechschwarz. Doch noch nicht alle Streiche!, dachte er panisch. Das ist ein fieser Streich! Hoffentlich kann ich das weg putzen. Zum Glück ging es ganz einfach. Er warf die Zahnpasta sofort weg und rief: „Verfaulte Zahnpasta!“

Er hörte wie seiner Mutter unten ein Würgegeräusch entwischte und sie rief: „Geh nochmals mit neuer Zahnpasta Zähne putzen!“

Diesmal gehorchte er nicht und ging direkt ins Bett. Für heute hatte er genug.

Am nächsten Morgen stand Edwin schon sehr früh auf und machte sich bereit für die Schule. Er packte die Schokolade, die er einem der Lehrer schenken wollte, in seinen Rucksack und machte sich auf den Weg.

Eine halbe Stunde später kam er auf dem unsichtbaren Platz an und marschierte durch den Eingang dicht gefolgt von seinen Kollegen. Das was gestern nach der Schule passiert war, erzählte er niemandem. Zu peinlich!, dachte er sich.

Sie hatten Naturkunde bei Herr Novak einem Menschen. Er war ein sehr freundlicher Lehrer und überhaupt nicht streng. Fast zu nett eigentlich. Herr Novak liebte Schokolade und hatte fast jede zweite Naturkundestunde Schokolade dabei.

„Guten Tag Herr Novak!“, begrüsste Edwin ihn. „Hallo Edwin. Wie geht es dir?“, sagte Herr Novak höflich. „Gut. Ich hab hier noch etwas für sie. Und noch einen schönen drei Königstag!“, sagte Edwin triumphierend, fischte die Schokolade aus dem Rucksack und verschwieg aber das mit den Fallen. „Vielen Dank Edwin!“, bedankte sich Herr Novak, worauf Edwin an seinen Platz lief und sich setzte.

Zwei Stunden lang lernten sie alles über Kakteen jeder Art. Dabei lasen sie in einem Pflanzenbuch, notierten sich wichtige Einzelheiten und pflegten die Wüsten-Pflanzen. Doch dann war die grosse Pause an der Reihe und Edwin rannte auf den Hof hinaus. Da drei Königstag war, bekam jeder Schüler und jede Schülerin ein Brötchen. In einem dieser vielen Brötchen gab es einen einzigen König! Der der dieser in seinem Brötchen fand, durfte drei Dinge bestimmen.

Edwin holte seine Brötchen, setzte sich mit seinen Kollegen auf eine Bank und biss hinein. Hoffentlich habe ich den König!, hoffte Edwin doch als das ganze Brötchen in seinem Magen war, war es sicher dass er die weisse Plastikfigur nicht hatte.

„Alle mal herhören!“, ertönte eine Stimme eines Lehrers aus dem Lautsprecher. „Wir wissen nun wer unser König ist. Es ist Rudolf!“ Irritiert blickte Edwin sich um. Rudolf war nirgends zu sehen. „Verdammt!“, murmelte Edwin.

„Also“, ertönte nun Rudolfs Stimme am Mikrofon. „Mein erster Befehl ist morgen Schulfrei. Mein zweiter, übermorgen Schulfrei. Und…“ „Und überübermorgen wieder Schulfrei. Wir haben es verstanden Rudolf“, lachte ein Mädchen neben Edwin. „…Und Edwin soll trotzdem in die Schule gehen!“

Erschrocken schrie Edwin leise auf. Das war sowas von ungerecht. Da fiel Edwin ein, dass Rudolf einer von Lucys Freunden war. Plötzlich packte ihn jemand an der Schulter. Er drehte sich um. Ein wütender Herr Novak mit hochrotem Kopf und lustigen Wurmhaaren stand vor ihm.

„Das ist ja super! Ich verdonnere dich nämlich zu fünf Wochen Nachsitzen!“

„Seit wann haben sie denn solche Haare?“, rutschte es ihm heraus. „Das würde ich dich gerne fragen!“, tobte Herr Novak. „Nachdem ich deine Schokolade gegessen habe, haben sich meine Haare in Würmer verwandelt!“

Einer seiner Freunde kicherte, worauf er von Herr Novak wütend angeschaut wurde. Dann wandte sich der Lehrer wieder Edwin zu, schnappte ihn am Arm und zog ihn in Richtung Schulhaus. Dort stand ein Elf, der mit Lucy befreundet war und ihm zuflüsterte: „Na, haben dir meine selbst erfundenen Streiche gefallen?“

„Das werde ich euch heimzahlen!“, zischte Edwin. Darauf antwortete der Elf gelassen: „Rache ist süss!“

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