Kapitel 40 – Das Lied der Hoffnung

(Rudolf)

Wenn Rudolf sich umsah, sah er nur zwei Dinge in den Augen der Gefangenen: Hoffnungslosigkeit und blanke Angst, vor dem Tag, der drohend näher rückte. Alle fürchteten sich vor dem „Tag der Sortierung“, wie die Gefängniswärter ihn nannten. An diesem Tag würden alle Gefangenen einer grausamen Entscheidung unterzogen werden. Es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder man schloss sich dem Clan des Grauens an, oder man starb. Es war grausam, und jeder fürchtete sich davor. Rudolf war glücklich, dass zumindest Lucy und Norwen entkommen konnten.

Er wandte sich an Shadowra und wollte wissen: „Wieso blasen denn alle so trübsal?“

Shadow hob ihren Kopf und sofort erkannte Rudolf seinen Fehler. Er hatte gerade von der grössten Schwarzseherin des Gefängnisses hoffnungsvolle Worte gefordert und erhielt nun das Gegenteil.

„Na ist doch klar“, meinte Shadowra. „Alle sind gefangen, ausser Lucy und Norwen. Ausserdem wie sollen die uns in dieser Festung befreien. Sie sind nur zu zweit. Geschweige denn sie schaffen es überhaupt hier hin. Sie haben dich nicht Rudolf. Also auch keinen Schlitten. Wie sollen die bitte sehr alles hier herlaufen? Sie können ja wohl nicht über das Wasser laufen. Am besten verstecken sie sich irgendwo. Für uns gibt es eh keine Hoffnung mehr. Spätestens in ein paar tagen werden wir unseren letzten Atemzug ausstossen und unwürdige wie Silver und Myron werden ihre eigenen Clans verraten.“

Rudolfs Blick wurde finsterer. Silver und Myron, diese Verräter. Vor ein paar Tagen hatten sie sich dem Clan des Grauens angeschlossen und ihre Freunde eiskalt verraten. Rudolf würde aber keinesfalls die Hoffnung aufgeben. Er glaubte an seine Freunde und dass sie es schaffen konnten. Er musste es nur in der Zwischenzeit schaffen, dass die Gefangenen wieder Hoffnung schöpften.

(Shadowra)

„Nein Shadow, so weit wird es nicht kommen“, erklärte Rudolf nach kurzem schweigen mit fester Stimme. „Ich vertraue Lucy und Norwen. Auch, wenn Myron und Silver Verräter sind. Die beiden sind es nicht Wert und ich glaube, nein ich weiss, dass Lucy und Norwen einen Weg finden werden. Doch bis dahin müssen wir dafür sorgen, dass es unter den Gefangenen wieder Hoffnung gibt!“

Eine Weile schwieg Shadowra und überlegte. Sie dachte an ihren Bruder und an Lucy. Wo waren die beiden wohl? Waren sie bereits hier angekommen? Und hatten sie die verlassenen Städte gesehen. Sie stellte sich vor wie Lucy und Norwen ihm lehren Atlantis ankamen. Dieses Bild erregte in ihr tiefe Hoffnungslosigkeit.

Doch dann erinnerte sie sich an die Beiden. Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder auf, aus Zeiten, die noch nicht so ernst gewesen waren. Das unverschämte Grinsen, dass nur Lucy und Norwen darauf hatten, tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Es stammte von einem Tag, an dem sie Edwin wieder mal einen Streich gespielt hatten und Lucy und Norwen besonders stolz auf ihre Leistungen gewesen waren. Bilder von ihren ersten Missionen schnellten vor ihrem inneren Auge vorbei. Aus jeder Situation, hatte sie Lucy zu retten gewusst und da wurde auch ihr klar, dass die beiden nie und nimmer aufgeben würden. Die beiden würden alles in ihrer Macht Stehende tun, um die vier Völker aus den Klauen des Feindes zu befreien.

Langsam nickte sie und meinte: „Du hast recht. Die beiden werden nicht aufgeben, auch wenn es noch so unmöglich erscheint.“

Rudolfs Augen erhellten sich, er schien sich sichtlich zu freuen, dass Shadow ihre Meinung geändert hatte. Auffordernd begann Rudolf mit den Hufen zu scharren.

(Rudolf)

Das Gefängnis befand sich tief unter der Erde, in einer riesigen von Menschen gefertigten Höhle, welche nun vom Clan des Grauens als Gefängnis benutzt wurde. Immer zwei bis drei Leute befanden sich in einer Zelle, wenn man es überhaupt Zelle nennen konnte. Denn es waren jeweils zwei Steinbrocken auf jeder Seite und nach vorne war es offen. Zwischen den grob gehauenen Felsen, welche sich alle schon vor der Einsiedlung des Clans hier befunden haben mussten, hatte es Spalten, durch welch man hindurchschauen konnte.

Auf dem Boden lagen überall Steine. Von diesen wählten sich Rudolf und Shadowra jetzt einige aus. Leider konnten, sie nicht viele Steine nehmen, da sie beide mit Handschellen an einen Stein gefesselt waren. Die flachsten und zwei kleine Spitze Steine wählten sie nun aus. Mit den Spitzen Steinen beschrieb Shadowra nun die Flachen mit dem Gedicht der Hoffnung. So nannten sie den Spruch, den sie eben erfunden hatten, um den Gefangenen Hoffnung zu schenken.

Der Spruch lautete:

Es besteht Hoffnung, verzweifelt nicht.

Die Auserwählte und Norwen bringen uns Licht.

Rettung naht.

Mit einem besonderen Rat.

Denn eine Legende besagt, dass sie unsere Feinde besiegen.

Also gibt acht und schaut, dass euere Tränen versiegen.

Habt vertrauen.

Hoffnung kann man auf unseren Helden bauen.

Nehmt eine Niederlage niemals kampflos in Kauf.

Glaubt an euch und gebt die Hoffnung nicht auf!

(Shadowra)

Es war sehr schwer den Text auf die Steine zu bringen, noch schwerer als ihn zu erfinden. Vor allem, konnte ihr Rudolf nicht helfen, da er mit seinen Hufen nicht gut schreiben konnte. Trotzdem wurden sie nach einer Weile fertig. Sie hatten etwa vier Steine beschrieben. Nun schrieben sie noch einen Satz:

Gebt diesen Stein weiter und wenn ihr noch Hoffnung habt, dann beginnt, mit uns in dieses Lied einzustimmen.

Damit war das Gedicht gemeint, so würden sie erkennen, wie viele Gefangene noch Hoffnung hatten.

Rudolf zitterte vor Aufregung, als er zwei der Steine auf seiner Seite der Zelle zwischen den Felsbrocken hindurchschob. Als ihre Steine auf der anderen Seite waren, blieb es still. Langsam begann Rudolf zu zweifeln, dass noch jemand einstimmen würde, doch dann hörte er eine vertraute Stimme, die zu singen begann. Es war Snoopy. Dann hörte Shadowra, wie Esaria, die Wächterin von Atlantis einsetzte. Anschliessend folgten Malivi und Rakir. Bis schliesslich tausende hoffnungsvolle Stimmen von den steinernen Wänden widerhallten. Die anderen hatten das Lied allerdings abgeändert. Stadt, dass sie von euch sangen, sangen sie von uns:

Es besteht Hoffnung, wir verzweifeln nicht.

Die Auserwählte und Norwen bringen uns Licht.

Rettung naht.

Mit einem besonderen Rat.

Denn eine Legende besagt, dass sie unsere Feinde besiegen.

Also geben wir acht und schauen, dass euere Tränen versiegen.

Wir haben vertrauen.

Hoffnung kann man auf unseren Helden bauen.

Wir nehmen eine Niederlage niemals kampflos in Kauf.

Wir glauben an uns und gebt die Hoffnung nicht auf!

Das Lied erfüllte Shadowras Herz mit tiefster Hoffnung und sie dankte Rudolf von ganzem Herzen für seinen Einfall. Die Gefangenen hatten wieder Hoffnung geschöpft und vertrauten darauf, dass Hilfe kommen würde und das Ende der Gefangenschaft eingeläutet werden würde.

Folgendes Kapitel erscheint am nächsten Sonntag.