Kapitel 11 – Der Weihnachtsmann

(Lucy)

Flink rasten Lucy und die restlichen Teammitglieder dem Mädchen hinterher. Das Mädchen hatte ihnen erzählt, dass der Weihnachtsmann bei den geheimen Gefängniszellen eingesperrt war. Diese waren nicht auf dem Plan des Verstecks, doch eigentlich war der grösste Teil der Gefangenen dort eingesperrt. Zu ihrem Glück wusste das Mädchen wo die geheimen Zellen waren und zu welcher Zeit welche Wachtrupps wo waren. Sie kannte viele Abkürzungen und Verstecke, die sonst niemand kannte.

Gerade liefen sie einen feuchten, engen Geheimweg entlang, der mit Steinwänden bis unter die Zellen führte. Nach wenigen Minuten fragte Snoopy das Mädchen: „Wie heisst du eigentlich? Ich bin Snoopy. Das sind meine Freunde Lucy, Rudolf, Myron und Silver.“ Bei jedem ihrer Namen zeigte er auf sie.

Danach blickten alle das Mädchen neugierig und fragend an. „Später“, sagte diese nur und lief ohne ein weiteres Wort zu sagen weiter. Enttäuscht rannten auch die Freunde auf die darauf folgende Kreuzung zu.

Silver und das Mädchen bogen ab und als Lucy und die Anderen bei der Kreuzung ankamen, waren die beiden verschwunden.

„Seid leise!“, sagte Silver, die gerade dabei war eine alte aber große Leiter hinaufzuklettern. Jetzt entdeckte Lucy sie. Sie hatte die beiden bloß nicht gesehen. Da sie nicht nach oben, sondern nur nach vorne geschaut hatte. „Wir sind hier oben“, erklärte das Mädchen, welches ebenfalls die Leiter hoch kletterte, angespannt. Die Anderen folgten ihnen die Leiter hoch.

(Molly)

Gerade war Molly dabei Kuchen zu backen. Die Brötchen, welche verbrannt waren, hatte sie weggeworfen und erneut welche gemacht. Nun roch es in der ganzen Backstube nach Brot und Kuchenteig.

Und noch einmal gut mischen, dachte sich Molly, jetzt ist er fertig. Rein in den Ofen damit.

Sie trug die Kuchenform mit dem Teig zum Ofen und öffnete diesen. Anschliessend schob sie den Kuchen hinein und stellte den Ofen ein.

Danach schaute sie nach, wie ihre Helfer voran kamen. Die Meisten waren auch am Ende ihrer Arbeit und andere hatten bereits etwas Neues begonnen. Molly zog tief den himmlischen Duft des Gebäcks ein und musste lächeln.

Backen war einfach ihr Leidenschaft.

(Lucy)

Als Lucy als letzte oben ankam, blickte sie sich vorsichtig um. Sie waren in der hintersten Ecke eines langen Ganges, umrundet von Gefängniszellen. Dort wo sie waren gab es keine Gefangenen in den Gefängniszellen, da zuerst die vordersten gefüllt wurden.

Rudolf schob mit seinen Hörnern die Falltüre zu, durch welche sie gekommen waren. „Kommt“, flüsterte das Mädchen und schlich den Gang entlang. Lucy und Snoopy schlichen dem Mädchen hinterher. Hinter ihnen, verfolgten sie Rudolf, Myron und Silver.

Auf dem Weg mussten sie in viele traurige, farblose und hoffnungslose Gesichter der Gefangenen blicken.

„Da kommt jemand!“, sagte Snoopy, als sie schon etwa fünf Minuten liefen.

Die Jungs huschten in eine leere Zelle auf der linken Seite, Lucy und Silver versteckten sich in einer Lücke in der Wand, wo gut zwei Personen Platz hatten. Das Mädchen stand davor, womit sie einen Grossteil der Lücke verdeckte. Denn anscheinend arbeitete das Mädchen auch für den Clan des Grauens.

Nur schon dieser Gedanke, dass das Mädchen für den Clan des Grauens arbeitete, nahm Lucy ein Stück ihres Selbstvertrauens weg.

„Was machst denn du hier?“, fragte eine Frau, die gerade um die Ecke bog, gefolgt von einem Mann. „Habe Wachdienst“, erklärte das Mädchen ohne eine Miene zu verziehen. „Klar doch“, sagte der Mann und nahm einen Schlüsselbund mit bestimmt Hundert Schlüsseln dran, aus seiner Hosentasche. Er liess die Schlüssel vor der Nase des Mädchens hängen.

„Wir hatten gerade ein lustiges Gespräch mit deinem Bruder!“, gab er danach preis und grinste spöttisch.

(Elenor)

Elenor kauerte auf der Couch. Allmählich begann sie sich ernsthafte Sorgen über ihre Tochter zu machen. Silver war zu 99% die Auserwählte. Was wenn Gray das wusste. Sollte sie ihr leichtsinniges Vorgehen vielleicht jemandem beichten und um Hilfe bitten?

Die Angst formte einen dicken Kloß in Elenors Hals.

Angestrengt überlegte Elenor, was sie tun sollte. Schließlich entschied sie sich, den Kindern nochmals eine Chance zu geben und erst nach Sonnenaufgang Hilfe zu holen.

(Lucy)

Wütend und gleichzeitig erschrocken blickte das Mädchen den Mann an, ohne die kleinste Spur von Respekt.

Wir müssen diesen Schlüsselbund kriegen!, war dass einzige was Lucy einfiel. Silver schien das gleiche zu denken, denn sie liess die klirrenden Schlüssel nicht mehr aus ihren Augen. Da gab Lucy, Silver ein Zeichen, dass sie die Wachen angreifen und besiegen mussten um den Schlüsselbund zu kriegen.

Aber leise!, dachte Lucy in Gedanken, obwohl Silver sie gar nicht hören konnte. Als Lucy und Silver sich gerade zum Sprung bereit machen wollten, fragte das Mädchen wütend: „Was für ein Gespräch?“

Nach dieser Frage hielten beide inne und warteten regungslos. „Geht dich doch nichts an!“, sagte die Frau, die seitdem der Mann das Wort ergriffen hatte, keinen Laut von sich gegeben hatte. Die zwei Wachen brachen in lautes, spöttisches Gelächter aus.

Vor Wut fast platzend, schleuderte das Mädchen die Frau zu Boden. Darauf wollte sich der Mann auf sie stürzen, doch Lucy und Silver kamen auch schon aus ihrem Versteck. Sie rammten den Mann zu Boden und hielten ihm das Maul zu, damit er nicht nach Verstärkung rufen konnte.

Auch Snoopy, Rudolf und Myron kamen herbei gerannt und halfen, die beiden zu fesseln. „Hab die Schlüssel!“, sagte Myron. Sie sperrten die zwei Wachen in das lehre Gefängnis, wo die Jungs sich versteckt hatten.

Das Mädchen lief stumm weiter den Gang entlang. Leise und vorsichtig folgten Lucy, Silver, Myron, Rudolf und Snoopy.

(Der Clan des Grauens)

Als Grey beim Eingang des anderen Gefängnisses vorbei kam, standen dort zwei Wachen. „Habt ihr heute irgendwas Seltsames gesehen oder gehört?“, fragte Grey er sie. Sie schüttelten den Kopf.

„Gut!“, sagte er, und wandte sich zum Weihnachtsmann. Grey blickte ihn forschend und durchdringend an. „Gut“, wiederholte er noch einmal und senkte den Blick. Die Wachen wagten es nicht ein Wort zu sagen.

„Euer Dienst läuft bald ab. Gleich kommt eine neue Gruppe“, erklärte er kühl.

(Lucy)

„Stopp“, befahl das Mädchen, als sie ein wenig weiter gekommen waren.

„Aber wir sind doch noch nicht angekommen“, meckerte Silver, „wir sind noch nicht beim Weihnachtsmann angekommen, oder schon vergessen? Ich erwarte eine Gegenleistung. Nun ich mache es kurz: Ich erwarte, dass ihr mir helft meinen Bruder aus diesem Gefängnis zu befreien und uns anschließend zu euch mitnimmt. Keine Ahnung wo ihr wohnt, doch ich weiß, dass ihr ein Zuhause habt. Ein Besseres als wir hier haben.“

Sie sah sich um. Am Ende blieb ihr Blick an einer Gefängniszelle hängen. Darin kauerte ein Junge. Er schien noch nicht so hoffnungslos wie die Anderen. Anscheinend war er noch nicht lange im Gefängnis.

„Das ist dein Bruder?“, fragte Snoopy. Das Mädchen nickte. Da sah der Junge auf. Er schien gerade etwas sagen zu wollen, da legte das Mädchen den Finger auf den Mund und holte den Schlüsselbund aus ihre Tasche. Anschließend suchte sie einen Schlüssel heraus und schloss die Zelle auf. Der Junge rannte hinaus und die beiden fielen sich in die Arme. Es war ein freudiges Wiedersehen.

(Casimir)

Casimir sah wie Gray um die Ecke verschwand. Ria wandte sich ihm zu und schlug vor: „Schauen wir in den hinteren Zellen doch mal nach dem rechten.“ Casimir stimmte ihr zu und sie machten sich auf den Weg.

Als sie um eine Ecke bogen blieb Ria, die vor ihm lief, plötzlich wie angewurzelt stehen. Erst war Casimir verwundert, doch dann sah auch er es. Vor ihm lagen mehrere gefesselte Wachen.

Er wusste sofort was los war. Bestimmt hatte jemand vor, Gefangene zu befreien und hatte hier die Schlüssel für die Falltüre geklaut. Aber wer ließ seine Opfer denn unverletzt?

(Lucy)

Nun standen sie vor dem Gefängnis. Lucy bemerkte wie Silver den beiden Geschwistern unauffällig die letzten zwei Stücke Unsichtbarkeitsschokolade in die Hand drückte. Dann schloss Myron mit dem Schlüssel, welchen er vom Mädchen hatte, auf.

Der Weihnachtsmann war sehr geschwächt. Er wechselte kein Wort mit ihnen. Doch er ließ sich von ihnen auf helfen und verließ mit ihnen die Zelle. Lucy und Silver mussten ihn stützen, damit er überhaupt laufen konnte.

(Der Clan des Grauens)

Gray kletterte die Leiter hoch und wollte die Falltüre aufschließen. Doch da merkte er, dass sie bereits auf war. Seltsam, dachte er sich und öffnete sie. Er kletterte den letzten Teil hoch und lief den Gang entlang.

Als er bei der Zelle des Weihnachtsmannes ankam, sah er es. Der Weihnachtsmann war frei.

(Lucy)

Da stand er vor ihr und Lucy hatte keine Ahnung wieso. Aber auf einmal wusste sie, dass dieser Mann der Anführer vom Clan des Grauens war.

„Woher wisst ihr von dem geheimen Gefängnis und von den Geheimgängen, die hier her führen?“, fragte der Anführer, wobei er anscheinend wusste wer sie waren. Aber der Grund für das Woher sollte er doch eigentlich wissen. Lucy sah sich um, doch die Geschwister waren nicht mehr zu sehen.

Erst als der Anführer von etwas Unsichtbarem gekickt wurde, dämmerte es Lucy. Die Geschwister hatten Schokolade genascht.

„Das ist dafür, dass ihr meinen Bruder eingesperrt habt!“, rief das Mädchen, verpasste dem Anführer abermals einen Tritt und rief: „Und das ist dafür, dass ihr ihn habt foltern lassen.“

Dann fiel der Anführer zu Boden und eine, für Lucy, neue Stimme rief: „Und das… ist für das, dass ihr uns fast unser ganzes Leben in diesem Loch festgehalten habt. Aber damit ist es jetzt vorbei! Tschau.“

Dann hörte man wie die Geschwister davon rannten und die Freunde folgten ihnen.

Nach einer Weile, als sie bereits das Gefängnis verlassen hatten, wurden die Geschwister wieder sichtbar. So schnell sie konnten, rannten sie durch das Versteck in Richtung Ausgang.

(Der Clan des Grauens)

Er ging nicht als erstes den Kindern hinter her, sondern ging in sein Büro. Dort verkündete er durch den Lautsprecher: „Der Weihnachtsmann wurde von einer Horde Kinder befreit. Haltet sie auf und sperrt alle ein!“

Danach stürmte er nach Draußen in den Gang, wo bereits ein großes Durcheinander herrschte.

Alle waren den Kindern auf der Ferse und Gray war sich ziemlich sicher, dass die Kinder früher oder später gefangen werden würden. Dabei wusste er jedoch nicht, was Silver noch für Geheimwaffen hatte.

(Lucy)

„Ich habe zwar keine Unsichtbarkeitsschokolade mehr, aber ich habe Kletterkaugummi. Jeder bekommt einen“, beschloss Silver und gab allen einen Kaugummi. Alle beobachteten Silver, wie sie die Wand hoch zu klettern begann, als wäre es das Leichteste der Welt.

Die Anderen machten es ihr nach und begannen den Kaugummi zu kauen, welchen Silver ihnen gab. Vorsichtig legte Lucy die Hände an die Wand und begann zu klettern, was sich als sehr einfach erwies.

So schnell sie konnten, kletterten sie überhängend an der Decke entlang zum Ausgang. Unter ihnen rannten dutzende Wachen vorbei, die sie allesamt übersahen.

Beim Ausgang kletterte Silver den Berg hoch, so dass die Wachen sie nicht sahen. Dann ging sie nach links und den Berg wieder hinunter. Alle folgten ihr. Unten angekommen zogen sie sich die Ski an. Der Weihnachtsmann stand bei Rudolf hinten auf den Skiern. Das Mädchen bei Lucy und der Junge bei Silver. Da die Freunde noch von den Ausdauer-Donuts gestärkt waren, war es für sie einfach trotz Last Ski zu fahren.

Als sie beim Zelt ankamen, brachen sie es sofort ab und warfen alles in den Schlitten. Dann quetschten sie sich zu acht in den Schlitten und Rudolf flog los. Gerade noch rechtzeitig, denn unter ihnen sammelten sich gerade die Wachen aus dem Clan des Grauens und sahen ihnen nach.

Beim Flug stellte der Junge sich und seine Schwester vor: „Ich bin übrigens Norwen und das ist meine Schwester Shadora. Aber sie hat es lieber wenn man sie bloß Shadow nennt. Und wie heißt ihr?“

(Elenor)

Elenor sah aus dem Fenster. Der Sonnenaufgang hatte begonnen. Elenor lief zum Schulhaus, um mit Herr Novak zu sprechen. Doch vor dem Schulhaus angekommen, sah sie gerade wie der Schlitten von Silver und ihren Freunden auf dem Landeplatz landete. Erleichtert rannte sie dorthin.

Als der Schlitten unten ankam, stieg Silver sofort aus und rannte auf Elenor zu. Erleichtert schloss Elenor ihre Tochter in die Arme.

Fortsetzung folg am: 7.2.21